Ich hatte letzte Woche die große Freude, einen kleinen Workshop zum kollaborativen Schreiben anleiten zu dürfen. Es fanden sich 13 von uns in einem Hinterhof eines Wohnprojekts wieder um, gestärkt durch Brownies und Erdbeeren, uns an der Sprache auszutoben. Das hier sind einige der Ergebnisse, welche ich hier mit der Erlaubnis der Autor*innen festhalte.
Ich sage zum Anfang solcher Workshops immer, dass ich der festen Überzeugung bin, dass das Dichten eines der Dinge ist, die uns Menschen am einfachsten fällt. Es ist etwas, dass jede*r tun kann und die meisten Menschen oft bereits tun, ohne es sich Bewusst zu werden. Der Trick ist es, diese Assoziationen und Verknüpfungen bewusst und greifbar zu machen. Das funktioniert meistens gut im Rahmen von spielen, und Spiele machen mit Anderen erstmals viel mehr Spaß als allein. Deshalb haben wir uns zusammen an mehreren Sprachspielen versucht.
Erstes Spiel
Bei der ersten Übung haben wir reihum einen Text Zeile für Zeile angefertigt, immer nur von der Zeile direkt davor ausgehend. Dadurch lassen sich schnelle und abwechslungsreiche Bilder erstellen. Man kann in diesen Experimenten ein gutes Gefühl für die Wandlungsfähigkeit von Metaphern bekommen. Die Feige wird zur Fliege, die Laus langsam zum Vogel. Natürlich haben diese Texte auch eine höhere Tendenz zum Nonsens, aber es ist auch überraschend, dass mit einer hohen Wahrscheinlichkeit auch wirklich schönes ohne eine gefestigte Intention der Autor*innen entsteht.
Was mache ich mit meinen Zwanzigern?
Lachen, lieben oder doch nur siegen?
Die Paare tanzen auf der Bühne
Ausgelassene Musik tönt aus zwei großen Boxen
Anna sprang auf und tanzte erst allein und dann mit Carl auf der Straße.
Ihre Füße trommelten ein eigenes Lied
ihr Blick emotionslos in die Ferne
ihr Mund halboffen, als würde sie es nicht aussprechen können.
Vielleicht war es ja auch einfach unaussprechlich.
Doch dann lass es uns aussprechen! Ein für allemal:
Niemensch muss hier blechen –
Geld ist eine Qual!
Neben mir schreiben zwei Frauen,
sitzen unter einem Ahornbaum
oder ist das nur ein schöner Traum?
Mich juckt die Lust nach Kaffee
Am liebsten Eiskaffee
mit großer Kugel Vanilleeis.
Aber leider trank ich nur Pfefferminztee und aß trockenen Zwieback,
dank meiner Bauchschmerzen, dazu.
Es linderte das Brennen,
es aß und nahm meinen Schmerz,
und was bin ich ohne Schmerz?
Alle Pharmazeut*innen wären pleite
Wenn du mich bloß endlich küssen würdest.
Licht bricht heiß durch dunkelgrüne Blätter
Wind bläst kalt durch meine Haare.
Ich denke an die letzten Tage,
Ich denke an die ersten Tage.
Da haben wir bloß Händchen gehalten
und schweigend den glühend-roten Sonnenuntergang bestaunt.
Ein Segelboot segelte durch die Horizontale
und störte etwas die romantische Stimmung.
Wäre die Komposition angemessen auf den Kunstwerken der großen Malerinnen?
Eine Frage die ich mir nicht zu stellen vermag
manchmal wäre die Antwort zu wissen,
schlimmer als für immer zu raten,
zu warten.
Die Feige fällt nicht weit vom Stamm,
die Mutige fällt weiter
und gleitet durch Pfützen aus Licht und Schatten.
Eine kleine, bunte Fee mit vielen Zacken
die Flügel so fein wie Seide
zischt am Fenster vorbei.
Tanzen die kleinen Akrobaten durch die Luft
schneller als das Auge folgen kann.
Diese Mücken im Sommer machen mir etwas Angst.
Was könnten sie alles mit sich tragen? Und an mich weitergeben?
Holy demons, I call to you
“Reveal yourself!” and “Fall for you!”
But silence reigned, and no stone moved
in the castle of old Hildegard.
In search of someone new
I found nothing but doubts.
My heart, not bigger than a mouse,
quivers as I look across the park.
What is that?
What is that…
An einem sonnigen Tag wanderte ich durch Tübingen.
Die Sonne brannte auf meiner Haut
und meine Füßen taten sehr weh.
Keinerlei Steine fand ich unter mir
nur du und ich waren hier.
Der Glockenschlag drang durch unsere Stille
Aber ich mochte sie doch
unsere Stille.
Wie sie zerreißt, die Ewigkeit
sich dreht und windet, diese Zeit.
Wie Schneckenhäuser, durch die Äonen.
Junitag. Heiß & schwitzig
der Schatten zieht die Menschen an,
und kühlt die erhitzten Gemüter.
Ich nahm die Erdbeere in meinen Mund
und sie knackte, als ich drauf biss.
Ein tiefer Genuss breitete sich aus
hier, im Innenhof vom Haus.
Bei Sonne, die gerade so nicht mehr
zu warm war
gönnten wir uns ein Eis.
Und es prickelte in meinem Mund,
wie tausend Kaktusstacheln.
Da wackelte ihr Schlund,
neben den warmen Kacheln,
und erlaubte sich ein leises Lachen.
Die Katzentreppe, an der Wand gelehnt
der Katze war die Flucht schon lang ersehnt,
so war sie doch nicht greifbar.
Er hingegen griff geschwind,
die weiche Schleppe des lauten Winds
zerzaust die Halme auf ihrem Weg.
Ich blicke ein letztes Mal zurück
und fange weiter an mit suchen.
Eine Blattlaus läuft über mein Mäppchen
ihre Flügel ölig bunt
der Schnabel aufgesperrt.
Die Augen ganz verschlossen
versuche ich nur mit dem Herzen zu schauen.
Was sagt doch gleich der kleine Prinz?
Man sieht nur mit dem Herzen gut
doch glücklich ist, wer nicht nur sehen tut
sondern fühlt,
wie sich die Sorge regt.
Die Glocken läuten hell übers Firmament
und fallen ab in hektisch wuselnde Gassen.
Es fehlt jegliche Spur menschlicher Massen
alle bleiben in ihren eigenen Tassen.
Einen Blick über den Tellerrand hinaus.
Zeigt mir, du warst doch aufmerksam.
Du hast genau hingeschaut und gesehen,
dass ich in diesen blöden Hundehaufen getreten bin.
Was für ein Dreck!
Unerhört, das soll nicht sein,
aber jetzt ist es wohl so.
Singend grunzte die Krake,
der Sau wuchsen Tentakel
greifend, schlingend, überwuchernd.
Die Rosen rangen an der Mauer suchend
die Wildblumen an das Schloss wuchernd.
Und ich immer noch verzweifelt suchend,
gehe auf Zehenspitzen zur letzten Tür.
Ich lege die Hand auf die Türklinke und drücke sie
langsam mit angehaltenem Atem herunter.
Der Geschmückte Weihnachtsbaum erstrahlte das ganze Zimmer.
Im Glanz des Lichtes, funkelten ihre Augen.
Das Maß aller Dinge ist wie folgt:
Eins, zwei, drei, vier,
und noch ganz viel mehr…
sagte da der Bär.
Trotz den Klauen, die er am Baum wetzte
ist nichts scharfes in den Hitzetrüben Mauern.
Trotzdem seh ich Pflanzen zwischen ihnen kauern
wie kleine Menschen mit vielen Mauern
und sich Zwerge in die Löcher kauern.
Ihre Mützen glänzen rot im Abendgrauen
Grillen zirpen in der Wiese an diesem Sommerabend.
James griff zur Gitarre und ich zündete mir noch eine Zigarette an.
An solchen Sommertagen
muss ich mich doch immer fragen
ist die Sonne mir zu warm
oder nicht.
Vielleicht ist es genau richtig.
Wie wir da lagen im Gras
und sahen da hoppeln ’nen Has’
schimmernd im Sommer wie Glas
splittert in ihnen das Licht.
Ich spür jeden Funken in meinem Gesicht,
und etwas in mir zerbricht.
Nach der langen Nacht beim Geburtstagsfeiern,
erwachte ich Müde aber frohgemut mit Kaffedurst.
Außerdem roch es nach lecker Brownies.
Kirschen, Erdbeeren, Sonnenbrand.
Ein Glas Wasser und das Buch voller Notizen,
ein Stück Kuchen und der Blick voller Skizzen,
frage ich mich, wovon ich noch mehr will,
– Krümel oder Buchstaben?
Brot oder Suppe?
Dachte die Fisch-Suppe
und schlürfte sich selbst.
Zweites Spiel
In dieser Übung haben sich Paarweise Menschen zusammengetan und jeweils Nomen und aktive Verben auf Karteikarten geschrieben. Diese wurden dann gemischt und je ein Nomen und ein Verb gezogen um ein Bild zu generieren. Danach sollten die Teilnehmenden die Bilder zu einem Text verarbeiten. Hier geht es darum, mehr ins Gespräch miteinander zu kommen und Sprachbilder und Themen zu finden und zu verknüpfen.
Den Microcontroller in der Fassade hacken, damit die Schuhbändel uns nicht beim knuddeln stören. Allgemein finden wir uns ja oft in Situationen, in denen wir Menschen kraulen oder ähnlich mit ihnen interagieren. Dann passierte es letzten Donnerstag, dass neben kraulenden Menschen auch lustige Monster vorbei hüpften. Sie wollten sich dadurch aus der Stacheldrahtumzäunung retten.
Es spritzte ein bisschen Blut und die Monster piepsten, jedoch gelang es ihnen, mit genug Hüpfen und Anstrengung den Kapitalismus ein für alle Mal explodieren zu lassen!
Das Schlimmste was wir je erfunden haben
ist was den Donnervogel verdrängt
und die Maschinen wuseln lässt,
wo kein Maulwurf in Ekstase buddelt
und alle Körper beutelt.
Wir weinen alle, auf den heißen Asphalt
Betontränen in der Hitze.
Drittes Spiel
Hier sollten die Teilnehmenden ein Wort mit einer mehrfach besetzten Bedeutung aussuchen. Eine Person schreibt einen Text zur einen Bedeutung, die Andere zur Anderen. Im Anschluss werden die Texte zu einem zusammengeführt. Diese Übung benutze ich gerne um zu zeigen, wie der Inhalt eines Gedichts aus den Leerstellen entstehen kann, die um ein Wort herum existieren.
Was siehst du?
Linien schlängeln vor suchenden Augen
Nehme dich zurück!
Ich wühle rätselnd
Es ist unanständig, darauf hinzuweisen
wo ihre Geheimnisse lauern
darauf, und darauf, dass du dessen Existenz wahrnimmst.
Willkürlich greifend
Dass du eine Verbindung ziehst
nach flüchtigen Halmen
zwischen Dir und Es
in mich verpflanzend
Das ihre windenden Körper
Etwas, mit mir verbunden.
Du kannst es wissen aber du kannst
es Andere auch wissen lassen.
Bildet sich ein Knoten
Dass du es weißt, siehst
lokalisieren und bestimmen kannst.
Ein Wort.
– Deuten